Raumdecor Michael Schnell - Vorbildlicher Generationswechsel 2018
Raumdecor Michael Schnell, Bietigheim-Bissingen
Die Kompetenzen sind klar geregelt
Vater Michael Schnell ist noch im Betrieb und kümmert sich um die Objektsparte. Aber für das operative Geschäft, die Finanzen und das Personal trägt Sohn Sebastian Schnell die Verantwortung. Der Generationswechsel bei Raumdecor ist ein kontinuierlicher Prozess, für den sich die beiden den Rat eines Unternehmensberaters geholt haben. Vorbildlich ist das, meint die Jury beim Heimtex-Star 2018.
Schon mit neun Jahren hat Sebastian gesagt: Ich werde Raumausstatter“, erzählt Michael Schnell schmunzelnd vom einstigen Berufswunsch seines Sohnes. „Und jetzt bin ich 28 und sag es immer noch“, entgegnet Sebastian Schnell schlagfertig. Der junge Raumausstatter-Meister ist im September 2016 als Geschäftsführer in das Familienunternehmen Raumdecor in Bietigheim-Bissingen eingestiegen und sehr glücklich damit. „Mein neuer Job macht mir viel Spaß“, erklärt er begeistert, „es ist einfach schön, im eigenen Betrieb zu arbeiten.“
Dort ist der Junior für das operative Geschäft, Finanzen und die Personalführung zuständig, während der Inhaber und Firmengründer Michael Schnell sich um den Objektbereich kümmert und ganzheitliche Wohnkonzepte entwickelt. Denn Vater und Sohn leiten Raumdecor mit einem Team aus 14 Mitarbeitern zwar gemeinsam, haben sich aber auf eine klare Aufgabenteilung und Kompetenzregelung verständigt. Sebastian Schnell ist rechtlich im Handelsregister als Geschäftsführer eingetragen und wird „sukzessive nach einem festen Plan“ die Anteile des Vaters übertragen bekommen.
Raumdecor Michael Schnell finden die Kunden im 50.000 m² großen Hofmeister Erlebnis-Wohnzentrum in Bietigheim, 20 km nördlich von Stuttgart. Nur wenige Schritte vom Haupteingang entfernt, befindet sich die 200 m² große, abgetrennte Verkaufsfläche an der Längsseite der Teppichabteilung. Das ausgewählte Vollsortiment ist im mittleren bis oberen Segment angesiedelt und besteht aus Deko-, Gardinen- und Möbelstoffen, Innen- und Außensonnenschutz, Insektenschutz sowie allen Varianten an Bodenbelägen. Die zugehörigen Dienstleistungen, entsprechend ausgeführt in der eigenen Werkstatt, ergänzen das Portfolio: Polsterei, Nähservice, Maler- und Tapezierarbeiten, Farbgestaltung und Beleuchtungskonzepte bis hin zur Projektausstattung und kompletten Renovierungen. Mit dem umfassenden Angebot erwirtschaftet die aufstrebende Firma einen Jahresumsatz von rund 1,6 Mio. EUR.
Unter den Käufern und Auftraggebern – insgesamt 15.000 stehen auf der Liste – sind über 70 % Stammkunden. Von jung bis alt halten viele bereits in dritter Generation dem Fachhändler die Treue. Raumdecor wurde 1988 von Michael Schnell gegründet, nachdem er den Vorgängerbetrieb Wohndecor übernommen hatte. Diese – ebenfalls selbstständige Raumausstattung – war auch schon bei Hofmeister ansässig.
Vom Bankkaufmann zum Raumausstatter
Die Warenpräsentation mit ausgewählten Produkten soll Neugier wecken und die Phantasie der Kunden anregen. Im Mittelpunkt steht die kompetente Fachberatung.
Die Vita des Juniors Sebastian Schnell klingt erst einmal ungewöhnlich. Denn ins Berufsleben gestartet ist er mit einer Ausbildung zum Bankkaufmann. Für ihn dir richtige Wahl, um den Umgang mit Menschen und Finanzen zu lernen. „Es gibt viele gute Handwerker, die ihre Zahlen nicht im Griff haben und deshalb leider nicht erfolgreich sind“, weiß der Geschäftsführer. „Aber für einen Handwerker und kreativen Kopf wie mich war Bankwesen auf Dauer nichts.“ Sebastian Schnell absolvierte eine verkürzte Raumausstatter-Ausbildung in Ditzingen bei Stuttgart, die er mit der Qualifikation zum Meister fortsetzte und 2012 zum Abschluss brachte. Danach sammelte der Jungmeister weitere Berufserfahrung über mehrere Jahre in Fachbetrieben in der Gegend Köln-Bonn und im Landkreis Starnberg. Im Umfeld von München hatte er in Villenvierteln mit hochkarätigen Kunden zu tun, wovon er nach wie vor profitiere: „Ich konnte mir dort ein gutes Standing erarbeiten.“
Während der Meisterausbildung arbeitete der Junior immer an Samstagen im väterlichen Unternehmen mit, „um mir ein Taschengeld zu verdienen“. Eingesetzt war er allerdings nicht bei Raumdecor, sondern im ebenfalls familieneigenen „Heimwerkermarkt“, den Raumausstatter-Meister Michael Schnell in einem anderen Trakt von Hofmeister betreibt. „Im unteren Preisbereich hatte das Möbelhaus kein Angebot für Heimwerker“, erklärt der 57-Jährige seine damalige Idee, auf 400 m² Verkaufsfläche ein Mitnahmeprogramm mit Laminat und Parkett, Farben und Tapeten zu offerieren. Die Heimtextilien-Abteilung von Hofmeister bildet wiederum das Pendent zu Raumdecor, allerdings sei das Sortiment des Möblers deutlich konzentrierter und nicht im hochwertigen Bereich angesiedelt. „Bei individuellen Wünschen und wenn Dienstleitung gefragt ist, dann sind wir von Raumdecor für die Kunden da“, beschreiben die Schnells ihr Geschäftsmodell.
So waren die Gegebenheiten, als Sebastian Schnell in seine neue Rolle als Geschäftsführer einstieg. „Es hat anfangs viel Arbeit gekostet, überhaupt einmal die Abläufe kennenzulernen und den Respekt und die Anerkennung der Mitarbeiter zu gewinnen“, beschreibt er sein erstes Jahr in Leitungsposition. Um eigene Akzente zu setzen, sei es deshalb noch zu früh. „Das wird sich sukzessive entwickeln.“ Und sein Vater ergänzt: „Wir sind automatisch durch die Umstände von außen gezwungen, uns permanent zu verändern – wenn wir schlau sind.“ Wobei er andererseits auch empfiehlt: „Never change a running system”.
Rat beim Profi geholt
Neben dem Fachgeschäft Raumdecor (Bild) betreibt das Familienunternehmen noch einen 400 m2 großen Heimwerkermarkt mit Laminat und Parkett, Farben und Tapeten in einem anderen Trakt von Möbel Hofmeister.
Beim Generationswechsel hat die Inhaberfamilie nichts dem Zufall überlassen. Michael und Sebastian Schnell ließen sich von einem Führungskräfte-Coach beraten. Die fünf Sitzungen von je zwei bis drei Stunden empfanden sie als „sehr hilfreich“. Dabei sei auch die emotionale Ebene thematisiert worden: „Zuerst musste jeder dem anderen einen Brief schreiben, was man sich vom anderen wünscht und was man am anderen schätzt“, erzählen sie. Und geben offen zu: „Wir haben durchaus unsere Reibungspunkte, denn wir sind beide Sturköpfe.“
Ursprünglich hatten Vater und Sohn sich fest vorgenommen, auf Augenhöhe zu starten. Doch der Unternehmensberater erinnerte an die Skatregel „Ober sticht Unter“ und empfahl, dass sich Michael Schnell als in der Hierarchie höher Stehender aus dem operativen Geschäft zurückziehen sollte. Daher arbeitet er jetzt extern im Büro daheim und managt die Objektsparte mit u.a. Kliniken, Arztpraxen und Hotels, die rund 20 % zum Umsatz beiträgt. Zudem erstellt er anspruchsvolle Interieurkonzepte, derzeit für einen Auftrag über 250.000 EUR in einem Privathaus. Sebastian Schnell übernimmt schrittweise Bestandskunden von seinem Vater – „und alle Neukunden sowieso“.
Nach den jeweiligen Einrichtungspräferenzen gefragt, meinen Vater und Sohn: „Jeder hat seine eigene Handschrift.“ Große Unterschiede gebe es aber nicht. Michael Schnell verkauft Wellness – „sehr harmonisch und warm, klare Formen, geradlinig und ich gestalte oft mit großen Pflanzgefäßen“ – während der Junior „mehr mit Kontrasten arbeitet, aber minimalistisch zeitlos“. Die Kunst sei herauszufinden, was der Kunde mag. Sebastian Schnell hat auch gelernt, hochwertig zu verkaufen. „Ich schlage auch Stoffe für 150 EUR/lfm. vor.“
Einen deutlichen Schwerpunkt im Sortiment setzt Raumdecor mit Dekostoffen und Gardinen, die rund 70 % zum Umsatz beitragen. Bezugsquellen sind u.a. Kendix, Kinnasand, Chivasso, Ado, Jab Anstoetz sowie Zimmer+Rhode. Die beiden Letztgenannten liefern ebenfalls Polsterstoffe (5 %) wie auch Romo und Großhändler Dürr. Innen- und Außensonnenschutz (15 %) wird vor allem bei MHZ bezogen, Bodenbeläge zum Beispiel von Joka, Girloon, Vorwerk und Jab Anstoetz.
Der Kunde von Raumdecor ist nicht zuletzt auch Kunde von Möbel Hofmeister. Das Einzugsgebiet des Großflächenanbieters geht indes weit über die „25 bis 30 km“ des Raumausstatters hinaus, der in diesem Radius 80 % seines Umsatzes erwirtschaftet. Der Standort Bietigheim-Bissingen hat alleine rund 43.000 Einwohner. Das Möbelhaus empfängt seine Kunden an sechs Tagen in der Woche von 9.30 bis 19.30 Uhr – plus Late-Night-Shopping bis 22 Uhr und an verkaufsoffenen Sonntagen. „An einem Schausonntag bei Hofmeister kommen 5.000 Besucher, ohne dass wir extra Werbeaufwand betreiben müssen“, erzählen die Schnells und profitieren von der hohen Kundenfrequenz. Die Kehrseite ist der hohe Aufwand für Verkaufspersonal durch die langen Öffnungszeiten. Im Team sind alle gelernte Raumausstatterinnen.
An den Werbeaktionen des Möbelhauses beteiligt man sich indes nicht: „Das ist zu teuer.“ Aber Raumdecor Schnell ist mit Kino-Werbung, auf Video-Boards und Anzeigen in Vereinszeitschriften aktiv.
Petra Lepp-Arnold
Vorbildlicher Generationswechsel des Jahres 2018