Becker Interior - Vorbildliches Marketing 2020
Becker Interior, Köln

Becker Interior, Köln

Der Schauraum, unendliche Weiten

Edle Stoffe gehören genauso zum Sortiment von Becker Interior wie top-aktuelle Designbeläge. Für die persönliche ­Beratung nutzt Inhaber Jan Becker natürlich technische Hilfsmittel wie die 3D-Brille. Und auch was das Marketing angeht, ist der ­Kölner gleichermaßen klassisch analog wie digital unterwegs. Für die Jury war klar: Das verdient den Heimtex-Star 2020 in der ­Kategorie „Vorbildliches Marketing“.

Wir machen vieles nur noch virtuell. Vielleicht steht hier bald ein Holo­gramm von uns“, orakelt Jan Becker. Der Inhaber und Geschäfts­führer von Becker Interior wirft einen Blick in die Zukunft seines Laden­geschäfts in der Kölner Neustadt-Nord. Hinter der einladenden Schaufensterfront lässt sich auf den ersten Blick nicht erkennen, dass das 1902 gegründete Traditionsgeschäft seine Marketingstrategie seit Jahren konstant neu ausrichtet.

Digital seit den frühen 1990ern

Becker Interior, Köln
Laufkundschaft hat Becker kaum. Daher reiche es, das Schaufenster nur einmal pro Jahr neu zu gestalten.
Der 45-jährige Becker bedient fast ausschließlich Stammkunden und solche, die auf Empfehlung kommen. Sie suchen nach außergewöhnlichen Stoffen, Tapeten, Möbeln, Teppichen und hochwertigen Accessoires. „Der exklusive Bereich funktioniert aber nur“, so Becker, „wenn man bereit ist, dahin zu gehen, wo der Kunde ist“. Wenn er und seine Mitarbeiter Hausbesuche machen, haben sie Materialproben und das portable Virtual Reality-­Equipment dabei. Dazu gehören ein Laser für holografische Darstellungen, ein Beamer und eine 3D-Brille, mit der die Kunden in die unendlichen Weiten der virtuellen Raumpräsentation eintauchen. Ob das digitale Angebot genutzt wird, entscheidet der Kunde. Oft hilft es ihm, das Raumkonzept besser zu verstehen, weiß Becker. Andere, die den Hightech-Einsatz ablehnen, hat er schon mit handkolorierten Zeichnungen überzeugt. Am Ende führt die Kombination aus beiden Welten zum besten Ergebnis: das technische Angebot ebenso wie das haptische Erleben der Stoffe oder Bodenbeläge.

Selbstverständlich bedient Becker die Kunden auch über seine Internetseite und die sozialen Netzwerke. Das Unternehmen war in den frühen 1990er-Jahren eines der ersten der Branche mit einer Webseite. Seit einigen Jahren stellt Becker auch Imagefilme auf seine Seite. „Wenn man den Branchentrends glauben darf, funktioniert das Bewegtbild noch viel stärker als das statische Bild“, begründet er die Entscheidung. Heute erreicht die Firma durch Instagram, Twitter & Co. monatlich eine Viertel­million Nutzer.

Erfahrungen in den USA gesammelt

Digitalisierung und Flexibilität sind für seine Branche alternativlos, glaubt Becker, der seit 20 Jahren die Geschicke der Firma lenkt. Denn auf unbewegliche, stationäre Händler sieht er große Probleme zukommen. Seine Berufs­erfahrungen in den USA und Kanada haben dem zweifachen Familienvater gezeigt, dass Ladenlokale immer unbedeutender werden. Während seiner Arbeit in Nordamerika breitete er seine Muster bei den Kunden am Küchen­tisch, auf Autos und auf Parkplätzen aus.

„Wenn ich in die Zukunft schauen soll, dann wird der europäische Markt in 20 Jahren so sein, wie der amerikanische Markt jetzt ist“, prophezeit Becker. Dort fahren die Innen­einrichter zu den Kunden und führen sie durch die Showräume der Hersteller, die ähnlich aufgebaut sind wie das Hamburger Stilwerk, in dem sich verschiedene Marken und Designer mit ihren Produkten unter einem Dach präsentieren. Die Raumausstatter selbst haben keine Ladengeschäfte, sondern im Zweifel nur noch ein Lager für Muster und Arbeitsgeräte.

Ein kleiner Showroom reicht aus

Becker hat Konsequenzen gezogen und seine Showräume verkleinert. Bei seiner Filiale auf Ibiza, eröffnet zum hundertjährigen Firmenjubiläum 2002, ergab sich die Gelegenheit, als der Mietvertrag gekündigt wurde – ausnahmsweise ein Glücksfall. Becker konnte seine Ausstellungsfläche von 2.000 auf 200 m² reduzieren. „Das reicht völlig aus“, meint er, „wir haben da nur einen Tisch und ein paar Stühle stehen“.

Um die Wünsche seiner Kunden zu erfüllen, hat Becker ein umfangreiches Händler- und Handwerkernetzwerk aufgebaut. Er arbeitet mit 800 verschiedenen Designermarken zusammen. In seiner New Yorker Dependance an der Fifth Avenue hat Becker gar keinen Schauraum mehr. Er hat sich dort mit acht Gewerken zusammengeschlossen, von denen jedes ein kleines Büro betreibt. Den Konferenz­raum teilen sie sich.

Sein Kölner Showroom ist mit rund 650 m² der größte. „Wenn ich heute neu aufmachen würde, würde ich aber wahrscheinlich eher 150 oder 200 m² suchen“, meint Becker.

Er hat seine Auslandsstandorte nicht nach einem Masterplan ausgewählt, sondern weil er dort Aufträge bekam. „Zu den Filialen sind wir wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Wir wollten da nicht unbedingt hin, aber wir hatten dort Projekte“. Für die zieht er bei Bedarf seine Spezialisten aus den drei Stand­orten zusammen. Von den 34 Mitarbeitern sind 14 in Köln angesiedelt, auch im Nähatelier des Hauses und im Polsteratelier außerhalb der Kölner Innenstadt.

2011 hat Becker den Heimtex-Star schon einmal gewonnen: für seine Schaufenster­dekoration. Bei dieser klassischen Marketing­form geht er andere Wege als die meisten seiner Mit­bewerber und löst bei Kollegen oft Stirnrunzeln aus. Wurde früher alle sechs bis acht Wochen umgestaltet, passiert das jetzt nur noch einmal im Jahr. Auch das ist dem veränderten Verhalten der Kunden geschuldet. Die klassischen Impulskäufer, die ein Geschäft betreten, weil sie etwas Schönes im Fenster gesehen haben, gibt es bei ihm immer weniger. Die Kunden kommen nur noch in zeitlich großen Abständen im Laden vorbei, dafür müsse nicht ständig neu dekoriert werden. Zwei Drittel von ihnen beauftragen Becker, ohne vorher in den Schauräumen gewesen zu sein. Auch deshalb, weil sie nicht in der Nähe eines der drei Standorte wohnen. 60 % des Umsatzes macht das Unternehmen inzwischen außerhalb seines Einzugsgebietes.

Schon Konrad Adenauer war Kunde

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Mischlingsrüde Linus gehört Beckers Mitarbeiter Alois Merz und begrüßt die Kunden schon am Eingang.
Den Grundstein für Beckers exklusive und inter­nationale Kundschaft legte sein Ururgroßvater Gottfried, dessen Name seit den 1950er-Jahren in Leuchtlettern über dem Eingang prangt. Er gründete 1902 ein Tapetengeschäft in Mülheim und wechselte nach wenigen Jahren auf die andere Rheinseite. Ein Coup gelang Gottfried Becker in den 1920er-Jahren, als der damalige Kölner Oberbürgermeister und spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer einen Raumausstatter suchte. Im Umkreis gab es nur wenige Anbieter, Becker erhielt den Zuschlag. „Das war ein Riesenglück für uns“, resümiert sein Ururenkel. Und so ging es weiter: Gottfried und die folgenden Becker-­Generationen statteten Botschaften, Ministerien und sogar Räume im Buckingham Palace und im Windsor Castle aus.

Jan Becker führt die Tradition fort, Produkte auf Kundenwunsch herzustellen. Ein klassisches Sortiment bietet die Firma nicht mehr an, 65 % der Aufträge sind Eigen­anfertigungen.

Auch im Hauptsitz am Kölner Kaiser-­Wilhelm-Ring findet man zahlreiche Unikate. Bis in die erste Etage, in der sich der Medienraum befindet, zieht sich ein überdimensionales Wandbild. Es zeigt den sozialistischen Bruderkuss zwischen Erich Honecker und Leonid Breschnew. „Das Original stammt von der Berliner Mauer“, erzählt Becker, „aber in dieser Art und Weise und auf dieser Wand gibt es das nur einmal. Wir haben mit Tapeten begonnen, und jetzt machen wir uns mit Putztechniken, auf denen wir Bilder platzieren, selbst Konkurrenz“.

Im Multimediaraum steht ein Tisch aus dem mineralischen Verbundwerkstoff Corian, eine Sonderanfertigung. Für die Zimmerdecke wurde eine Digitalprinttapete ent­worfen, deren Pixelmuster sich im Digitalprint­teppichboden widerspiegeln.

Persönliche Kontakte bleiben wichtig

Becker wird sich weiterhin viele Gedanken darüber machen, wie er technische Neu­erungen für sich nutzen kann. Die Notwendigkeit zur digitalen Präsenz vermittelt er auch dem Nachwuchs. Die Schüler der Möbelfach­schule lud er zuletzt im Mai 2019 zu einem Vortrag und einer Demonstration in seinen Showroom ein. Auch der Fernsehsender RTL interessierte sich 2018 für seine Digital­strategie.

Ob eines Tages wirklich ein Hologramm die Kunden im Laden empfängt, weiß Becker nicht. Bis dahin hat Linus, der freundliche Labrador-American-Shepherd-­Mischling eines Mitarbeiters, diese Rolle übernommen. Er begrüßt die Kunden schwanz­wedelnd am Eingang, baut Hemmungen ab und fördert die Kommunikation.

Mit allen Sinnen erleben, persönlicher Austausch und soziale Kontakte bleiben trotz digitaler Vermittlungsformen unverzichtbar. Die Gelegenheit dazu nutzt Becker unter anderem auf dem Kölnball. Er sponsert das Charity-­Event zur Unterstützung krebs­kranker Kinder seit Jahren. Und im Januar 2020 organisiert er zur Eröffnung der Internationalen Möbel­messe in Köln wieder die Gin Tonic Night. Dann wird in seinen Räumen bei, klar, Gin Tonic, Sushi, der Kölner Blutwurstspezialität Flönz und Kölsch gefeiert. Ganz analog, Marketing im Hier und Jetzt.

Monika Schmitz


Becker Interior

Vorbildliches Marketing des Jahres 2020
Becker Interior
Kaiser-Wilhelm-Ring 14-16
50672 Köln
eMail: koeln@beckerinterior.com
Internet: www.beckerinterior.com
Telefon: 0221 / 12 01 31
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