Glander Farben und Wohnstore - Vorbildliche Übernahme 2021
Wohnstore Lüneburg, Lüneburg
Die Übernahme war ein Marathon
Die Expansion der Lüneburger Fachmarkt-Gruppe Glander ins weiter südlich gelegenen Uelzen gestaltete sich für Geschäftsführer Kay-Christian Glander schwieriger als erwartet. Erst dauert es rund anderthalb Jahre bis zur Vertragsunterzeichnung; im Anschluss treten unerwartete Probleme auf. Doch es gelingt, zwei ehemalige Wettbewerbsbetriebe erfolgreich zu integrieren. Das ist der Jury den Heimtex-Star 2021 in der Kategorie „Vorbildliche Übernahme“ wert.
Dinge, die Kay-Christian Glander in Angriff nimmt, gelingen ihm in der Regel. Seitdem der gelernte Maler und Lackierer sein Unternehmen Glander Farben und Wohnstore 2012 gegründet hat, prosperiert und expandiert die Fachmarkt-Gruppe mit Zentrale in Lüneburg. Mittlerweile setzen der 36-Jährige und seine 125 Mitarbeiter an sechs Standorten zwischen Hamburg, Lüneburg und Uelzen rund 10 Mio. EUR um, davon jeweils in etwa die Hälfte im Privat- sowie im Objektgeschäft. Wichtigste Produktgruppe dabei: Bodenbeläge.
2016 kommt der Erfolgsmotor von Glander jedoch ins Stottern. Im März des Jahres gründet der Kaufmann in Uelzen, 45 Autominuten südlich von Lüneburg, einen weiteren Wohnstore. Mit einem neuen Konzept, das auf den Handel vor allem mit Bodenbelägen fokussiert, plant er, in der Region Fuß zu fassen. Der örtliche Markt nimmt das Angebot aber nicht wie erhofft an. Glander ändert daraufhin seine Strategie und legt den Schwerpunkt in Uelzen auf das Handwerk – wie schon in den anderen Filialen der Fachmarktkette. Diese Veränderung bringt den Durchbruch in der Region um die Stadt mit dem Hundertwasser-Bahnhof.
Erste Übernahme im Sprint
2019 kauft Glander Behn Wohnideen in Bad Bevensen.
Ein Wettbewerber in Uelzen ist der kleine, aber feine, 2001 von Rüdiger Suhm und seiner Frau Dorothee Behn-Suhm gegründete Raumausstatterbetrieb Deko & Raum. Ende 2017 lernen sich Suhm und Glander kennen. Die Chemie stimmt zwischen beiden Geschäftsleuten. Kurze Zeit später entsteht die Idee, zusammen zu arbeiten. Anfang 2018 werden beide Fachgeschäfte unter dem Dach des Wohnstore Uelzen zusammengefasst; Suhm wird Filialleiter des Wohnstores. Das Ladengeschäft von Dekor & Raum schließt. Der Kundenstamm folgt und wird weiterhin von Suhm betreut. „Diese Übernahme hat gut funktioniert und ging schnell über die Bühne“, erinnert sich Glander.
Der dann folgende Expansionsschritt sollte den jungen Familienvater allerdings vor weitaus größere Herausforderungen stellen. In Bad Bevensen, 20 Autominuten nördlich von Uelzen, betreibt die alteingesessene Firma Behn Wohnideen ihr Geschäft. Vor 100 Jahren gegründet, ist der Meisterbetrieb heute mit den drei Geschäftsbereichen Maler/Raumausstatter, Glaserei und Tischlerei eine der ersten Adressen der Region.
Zweite Übernahme zieht sich hin
Geführt wird Behn in dritter Generation von Rolf Behn. Der 65-Jährige ist durch sein politisches, gesellschaftliches und unternehmerisches Engagement in der Region bekannt. Die Unternehmerfamilie ist stark vernetzt und der Handwerksbetrieb auch dadurch eine in der Gegend tief verwurzelte Marke geworden. Mit 40 Mitarbeitern und einem Umsatz von zuletzt rund 2 Mio. EUR bietet Behn alle Gewerke rund um Neubau, Sanierung und Renovierung aus einer Hand.
Der Wohnstore Glander und Behn Wohnideen buhlen also um dieselbe Kundschaft. Als beide Inhaber sich kennenlernen, kristallisiert sich schnell heraus, dass auch sie ähnliche Unternehmensphilosophien in ihren Betrieben verfolgen: Beide gelten als zukunftsorientierte und investitionsfreudige Macher. Rolf Behn ist mit seinen 65 Jahren nicht abgeneigt, den Betrieb zu verkaufen, hat aber auch keine große Eile. Und Glander seinerseits kann sich durchaus vorstellen, durch eine weitere Übernahme zukünftig noch tiefer in den Uelzener Markt vorzudringen. Es ist also für beide Seiten ein günstiger Zeitpunkt.
Ehemaliger Inhaber wird Berater
Es gehen aber noch mehr als anderthalb Jahre ins Land, bis sich beide einigen und Glander im April 2019 in einem Asset-Deal den Kundenstamm, die Marke, die Belegschaft sowie die Gebäude von Behn übernimmt und unter der Firmierung B+G Raumgestalter fortführt. Den im Vergleich zu anderen Übernahmen langen Zeitraum habe man benötigt, um zusammen den Übergang vorzubereiten und um mit Banken über diverse Finanzierungsmodelle zu beraten, erklärt Glander. Bei einer solch großen Verkaufsmasse habe man eben vieles zu berücksichtigen und zu bedenken. Er vereinbart mit Behn einen Beratervertrag, der bis heute läuft.
Doch in den Wochen und Monaten nach Vertragsabschluss sieht Glander sich mit unvorhergesehenen Hindernissen konfrontiert. Diese zeigen sich vor allem in drei Unternehmensbereichen: Personal, EDV und Organisation. Dass einige wenige Mitarbeiter, auch Führungskräfte, nach einer Übernahme oder unter einem neuen Chef kündigen, sei nicht ungewöhnlich, sagt Glander. „Doch auf einmal hat die gute Behn-Mannschaft nicht mehr so funktioniert wie in der Vergangenheit.“
Probleme treten zu Tage
Es zeigt sich zudem bei näherer Betrachtung, dass die EDV- und IT-Infrastruktur doch stärker modernisiert werden muss, als anfangs gedacht. In dieser Zeit ist Glander auch mit der Arbeitsorganisation und -durchführung nicht zufrieden: „Es waren teilweise Arbeitsabläufe gängig, die man heute beispielsweise mit modernen Maschinen anders und effektiver durchführt. Und diese Dinge haben wir verändert beziehungsweise eingeführt.“ Dadurch seien nicht eingeplante Modernisierungs- und Umstrukturierungskosten angefallen. Diese Veränderungen umzusetzen, habe zusätzlich Zeit gekostet. Man müsse viel Überzeugungsarbeit leisten, wenn Dinge verändert werden sollen, von denen es heißt: Das haben wir schon immer so gemacht. „Unter dem Strich konnten wir zu diesem Zeitpunkt bei Behn als neuen Teil unserer Unternehmensgruppe nicht so agieren wie geplant“, rekapituliert Glander seine damalige Enttäuschung.
2020 eröffnet der erweiterte und modernisierte Behn-Standort in Bad Bevensen. Glander schließt den Wohnstore in Uelzen..
Aber hätte man diese Probleme nicht vermeiden oder zumindest vorhersehen und besser abschätzen können? Einiges sicherlich schon, sagt Glander rückblickend selbstkritisch. Sollte er noch einmal einen Betrieb übernehmen, würde er die Mitarbeiter früher und transparenter über seine Pläne informieren. Oder er würde nicht von jetzt auf gleich 100 % übernehmen, sondern einen sanfteren Einsteig über eine Beteiligung wählen, um einen allzu abrupten Schnitt zu vermeiden. „Das führt zu weniger Verunsicherung innerhalb der Belegschaft, als jetzt geschehen. Man nimmt die Mitarbeiter bei seinen Zukunftsplänen dann besser mit“, ist Glander überzeugt.
Unerwartete Modernisierungskosten
Bei den Themen IT und Arbeitsorganisation ist der 36-Jährige pessimistischer in Sachen Problemvorhersage. „Bei einer Übernahme hat man häufig zu sehr das Große und Ganze im Blick und achtet einfach nicht so stark auf vermeintliche Kleinigkeiten oder Selbstverständlichkeiten, aus denen später größere Probleme erwachsen könnten.“ Und schließlich spiele bei einer Übernahme auch immer der häufig schwer zu kalkulierende Faktor Mensch eine gewichtige Rolle – auf beiden Seiten.
Teil des Übernahmekonzeptes von Glander ist von Anfang an, die Ausstellungsfläche des Standorts von Behn in Bad Bevensen auf 400 m2 zu vervierfachen und das Gebäude erheblich zu modernisieren. Im Anschluss wird der Wohnstore-Standort in Uelzen geschlossen, so dass die Unternehmensgruppe Glander dort ausschließlich unter der Marke Behn auftritt. Auch der gesamte Marktauftritt erfährt unter einem neuen Corporate Design eine grundlegende Auffrischung samt neuer Webseite; der Fuhr- und Maschinenpark wird modernisiert.
Langer Atem zahlt sich aus
Die Baugenehmigung verzögert sich allerdings, so dass die Handwerker erst Ende 2019 loslegen können. Im März 2020 macht dann Corona Glanders Planungen den nächsten Strich durch die Rechnung: Die Neugestaltung verzögert sich abermals. Neu eröffnet werden kann der kaum wieder zu erkennende Behn-Standort schließlich erst im Juli 2020.
Drei Monate später, im Gespräch mit BTH Heimtex Anfang Oktober, ist für Glander alles im grünen Bereich. „Die Geschäfte hier in der Region Uelzen-Bad Bevensen unter der Marke Behn entwickeln sich gut. Wir sind rentabel, und die Übernahme von Behn ist am Ende gut gelaufen. Vor einem halben Jahr, im März, sah das anders aus. Damals hätte ich kein gutes Gefühl gehabt, mich um den Preis ‚vorbildliche Übernahme‘ zu bewerben“, gibt Glander mit Blick auf die zahlreichen Unwägbarkeiten und Hindernisse, die zu überwinden waren, unumwunden zu. Aber wie sagt der Volksmund: Ende gut – alles gut.
Jochen Lange
Vorbildliche Übernahme des Jahres 2021