Flösser - Vorbildlicher Generationswechsel 2017
Flösser Bodenbeläge, Bremervörde
Vater und Sohn – getrennt das gemeinsame Ziel erreicht
Vater Walter und Sohn Andy Tiedemann erhalten früh die Chance, gemeinsam die Firma Flösser Bodenbeläge zu übernehmen. Beide ahnen aber, dass das mit Hürden verbunden ist und führen deswegen erst einmal ihre eigenen Betriebe. Ein Jahrzehnt später bewerkstelligen sie doch noch einen zwar unorthodoxen, aber vorbildlichen Generationswechsel. Dafür bekommt das vom Fachhandelsring vorgeschlagene Unternehmen den Hemtex-Star 2017.
Hört man von gelungenen Generationswechseln in Handwerksbetrieben, heißt es oft, dass die nächste Generation schon einige Jahre im elterlichen Betrieb mitgearbeitet hat, bevor dem Sohn oder der Tochter die alleinige Verantwortung übertragen wurde. Dieses Vorgehen soll sicherstellen, dass der Nachwuchs die Thematik, die Abläufe, die Mitarbeiter, die Kunden und die Gepflogenheiten kennt und die Firma erfolgreich fortführen kann.
Malermeister Walter Tiedemann übergibt im Herbst 2016 nach rund 40 Jahren Berufstätigkeit seinen Betrieb Flösser Bodenbeläge mit angeschlossenem Fachmarkt für Raumausstattung und neun Mitarbeitern an seinen Sohn Andy und seinen Neffen Timo Nessel. Der Weg dorthin ist aber ein ganz besonderer, unorthodoxer. Er beginnt vor rund 13 Jahren und ohne dass es Vater und Sohn ausdrücklich vereinbaren.
Selbstständig mit zwei Betrieben
2003 machen sich Andy Tiedemann und Timo Nessel selbstständig. Beide sind gelernte Parkettleger. Nach der Ausbildung probiert sich Andy Tiedemann aus, orientiert sich und arbeitet für unterschiedliche Unternehmen – unter anderem für Flösser Bodenbeläge, die Firma, in der sein Vater schon seit vielen Jahren tätig ist.
Der Verlegebetrieb macht seine Umsätze zu mehr als der Hälfte mit Designbelägen. Teppichboden und Parkett machen weitere 15 % aus.
Ein Jahr später, 2004, wird Vater Walter Tiedemann von seinem Chef Horst Flösser gefragt, ob er das 1960 gegründete Unternehmen übernehmen möchte. Eine tolle Chance. Zu diesem Zeitpunkt ist Walter Tiedemann allerdings schon 52 Jahre alt. Es steht die Frage im Raum, ob Sohn Andy mit übernehmen und in den Betrieb einsteigen will. Der damals 24-Jährige hat andere Pläne. Er möchte sich etwas Eigenes aufbauen. Seine Firma Tiedemann & Nessel läuft gut. Man arbeitet vor allem im Objektgeschäft im nahe gelegenen Großraum Hamburg und baut sich einen Kundenstamm auf.
Walter Tiedemann und Horst Flösser einigen sich derweil auf einen Kompromiss. Flösser stellt die Komplettveräußerung erst einmal zurück. Tiedemann kauft vorerst nur Ware sowie den Fuhrpark, pachtet das Gebäude mit der 500 m² großen Ausstellung und verantwortet das gesamte Bodenbelagsgeschäft sowie den Fachmarkt. Flösser behält den davon völlig getrennten Unternehmensteil Estricharbeiten.
Bis 2013 arbeiten Vater und Sohn Tiedemann getrennt voneinander in ihren eigenen Unternehmen, kommen sich beruflich nicht ins Gehege, haben unterschiedliche Zielgruppen. In der von Mittelstand geprägten Region im Elbe-Weser-Dreieck zwischen Hamburg und Bremen geht es Flösser Bodenbeläge gut. Zum Zeitpunkt der Teil-Übernahme sei es schlechter gelaufen, sagt Vater Walter Tiedemann im Rückblick. Neun Mitarbeiter – vier Bodenleger und fünf Verkäufer – erwirtschaften 80 % der Umsätze im Privatbereich, hauptsächlich mit Designbelägen, Parkett und Teppichboden. Der integrierte Fachmarkt, der außer Sonnenschutz und Stoffen alle Produkte der Raumausstattung führt, hat aber eine Modernisierung nötig.
Sohn und Neffe steigen ein
Zu diesem Zeitpunkt entscheidet sich Horst Flösser, sein Unternehmen nun komplett zu verkaufen, also auch das Gebäude. Für Walter Tiedemann, jetzt Anfang 60, kommt die völlige Übernahme wenige Jahre vor der Rente nicht mehr in Frage. Aber sein Sohn und sein Neffe sind nun angetan von den unternehmerischen Möglichkeiten, die sich durch den Kauf ergeben, beispielsweise die Zusammenführung der Kundenstämme. Ihr eigenes Unternehmen hat sich zwischen 2004 und 2013 ebenfalls gut entwickelt. „In letzter Zeit herrschte aber ein gewisser Stillstand“, erinnert sich Andy Tiedemann.
Man einigt sich mit Walter Tiedemann und Horst Flösser. Die beiden 36-Jährigen kaufen Grund und Boden, das Gebäude sowie sämtliches Inventar. Walter Tiedemann bleibt bis zu seinem Ruhestand im November 2016 Pächter und Geschäftsführer von Flösser Bodenbeläge. Dann gehen auch Fuhrpark und Ware in den Besitz der nächsten Generation über.
Bereits im September 2016 beginnen die ersten Sanierungs- und Umbaumaßnahmen. Die beiden Cousins haben viel vor: Die Außenfassade wird neu und modern gestaltet. Auch die Ausstellung wird komplett umgebaut, neu strukturiert sowie modernisiert. „Wir drehen das Gebäude einmal auf links. Es wird offener, freundlicher, moderner“, beschreibt Andy Tiedemann Anfang Oktober bei einem Rundgang mit Vater Walter die großen Pläne.
Timo Nessel und er investieren allein für den Umbau innen und außen 150.000 EUR. Das beinhaltet nicht nur neues Verkaufsmobiliar, eine neue Farbmischanlage sowie eine neue Lichtanlage. Die neuen Besitzer wollen zudem das Sortiment um Sonnenschutz erweitern. Über eine Frequenzzählung werden auch die bisherigen Öffnungszeiten auf den Prüfstand gestellt. Alles zusammengenommen soll das die Attraktivität des Fachmarktes erhöhen und den heutigen Erfordernissen gerecht werden.
Stärken und Schwächen klar erkannt
Flösser Bodenbeläge ist ein Bodenverlegebetrieb mit angeschlossenem Fachmarkt auf einer Ausstellungsfläche von 500 m² und neun Mitarbeitern.
Andy Tiedemann berichtet, dass sich die Mitarbeiter – alle, die wollen, werden übernommen – freuen, dass ihre Arbeitsplätze erhalten bleiben, dass investiert wird und das Unternehmen in Familienhand bleibt. Senior Tiedemann ist auch zufrieden, wie die Dinge mit der Geschäftsübergabe am Ende gelaufen sind – jedenfalls grundsätzlich. Der inzwischen 64-Jährige würde manches bei der Umgestaltung des Ladens anders machen. Aber er halte sich zurück. Sein Sohn und sein Neffe seien jetzt am Ruder, sagt er während des Rundgangs.
Vater und Sohn verstehen sich sehr gut. Sie fügen auf Nachfrage aber hinzu, sich der Tatsache durchaus bewusst zu sein, dass sie unterschiedliche Typen sind mit unterschiedlichen Auffassungen vom Geschäft.
Die beiden haben sich wahrscheinlich nie konkret auf ihr Vorgehen verständigt. Eher wird es eine stillschweigende Übereinkunft gewesen sein, nach der Senior und Junior zum Wohle des Unternehmens den Generationenwechsel bewusst und phasenweise auch unbewusst vorangetrieben und schließlich zum Erfolg geführt haben: Man wusste um die Schwierigkeiten, die die gemeinsame Leitung von Flösser Bodenbeläge ab 2004 mit sich gebracht hätte. Diese Steine haben sie frühzeitig beiseite geräumt auf dem Weg zu einer reibungslosen Geschäftsübergabe.
Man kennt die eigenen Stärken und Schwächen – und die des anderen. Vater und Sohn haben deswegen die Grenzen des Handelns in einer möglichen gemeinsamen Geschäftsführung erkannt und akzeptiert. Das verdient Anerkennung. Denn Grenzen und Schwächen können sich viele, gerade Selbstständige, nicht eingestehen. Walter und Andy Tiedemann haben deswegen viele Jahre „ihr eigenes Ding“ gemacht, um am Ende das gemeinsame Ziel zu erreichen: den Bestand und die Weiterentwicklung des Betriebs.jl
Vorbildlicher Generationswechsel des Jahres 2017